Unser Freiarbeitskonzept
Die Kinder unserer Schule haben von der ersten Schulwoche mindestens 3mal in der Woche Freiarbeit. „Von Freiarbeit wird gesprochen, wenn die Kinder frei über die Inhalte und die Art ihrer Aktivitäten, über ihr Lerntempo und die von ihnen gewünschte Sozialform, über Materialien und Arbeitsplätze in der dafür ausgewiesen Zeit, entscheiden können.“[1] Der Umgang mit Freiheit wird dabei eingeübt. Es handelt sich nicht um ein orientierungsloses Arbeiten, sondern um von Selbstdisziplin getragene Lernprozesse.
Freiarbeit als Methode basiert auf der Grundannahme, dass Kinder lernen wollen und dies auch eigenständig tun können. Wenn Lernen als Konstruktion von Wissen und nicht als Übertragung des Wissens von A nach B verstanden wird, dann muss Freiarbeit insbesondere die Eigenständigkeit und freie Wahl der Lerngegenstände und Lernformen usw. betonen. Konstruiert wird Wissen effektiv, wenn der Lerner aktiv bei der Auswahl der Inhalte und Methoden mitwirkt. Dieses aktive, Interessen geleitete, nicht (oder je nach Ausprägung wenig) eingeschränkte Tätigsein wird im Unterricht durch die Methode der Freien Arbeit besonders ermöglicht.
Die Freiarbeit gewährleistet ein individuelles Arbeiten der Schüler. Sie begegnet somit der Gefahr eines gleichschrittigen Unterrichts, besonders der Unter- oder Überforderung der Schüler sowie der Lebensferne, da an bereits vorhandenes Wissen und Fähigkeiten angeknüpft wird. Im Prozess des Freien Lernens entdecken die Schüler eigenständig, welche Informationen, Wissensvorräte, Lernstoffe usw. ihnen zur Bewältigung ihrer Arbeitsaufgabe fehlen und wenden sich dabei auch bereits gelerntem Stoff wieder zu. Sie lernen also nicht linear, sondern pendelnd/ kreiselnd.
Freiarbeit trägt ebenfalls zur Persönlichkeitsentwicklung bei, da sie wichtige Kompetenzen übt, wie z.B. Selbstständigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Einschätzen eigener Fähigkeiten, Reflektieren der Konsequenzen des eigenen Handelns, Selbstkontrolle, Erfahren eigener Grenzen.
Lehrerrolle
Die Aufgabe des Lehrers bzw. der Lehrerin ist es, den Schülerinnen und Schülern in dieser Zeit beratend zur Seite zu stehen und den organisatorischen Rahmen für die Freiarbeit zu schaffen.
Das Material
Geeignetes Material heißt, dass es im Grundschulbereich kindgemäß und später lernergemäß ist und dem jeweiligen Entwicklungsstand angepasst wird. Es muss eine ausreichende Menge angeboten werden. Weiterhin sollte das Material allen Lernern zur Verfügung stehen und für jeden zugänglich sein. Also ist es z.B. so im Regal zu platzieren, dass selbst die Kleinsten ihr gewünschtes Arbeitsmittel erreichen können. Zudem sollte es auch für alle im Raum sichtbar sein. Bei der übersichtlichen Platzierung ist es wichtig, darauf zu achten, dass dem Material ein geeigneter und fester Platz im Raum zugeteilt wird, an dem es immer auffindbar ist. Diese sichere und verlässliche (An-)Ordnung der Materialien wirkt einer Verunsicherung der Kinder entgegen. Wichtig ist auch, dass der Schwierigkeitsgrad für alle Kinder einsichtig und zu bewältigen ist. Die Abstimmung der Mannigfaltigkeit des Angebots spielt auch eine große Rolle. Denn jedes Kind soll die reichhaltige Vielfalt einer fächerübergreifenden Bildung erhalten. Hierbei ist zu beachten, dass das Material aufeinander aufgebaut und nicht einfach „wild zusammengewürfelt ist“.
Bei der Zusammenstellung des Materials muss ein Überangebot vermieden werden, denn sonst besteht die Gefahr einer Überreizung und Orientierungslosigkeit, die das Interesse und die Neugier des Kindes/Lerners mindern. Um hingegen Interesse und Neugier zu fördern, ist es wichtig, dass das Material Anreiz- und Spielcharakter besitzt und auch optisch anspricht. Weiterhin sind folgende Aspekte bedeutsam: Die Aufgabenstellungen sollte motivieren, mit dem Angebot sollten mehrfache Einsatzmöglichkeiten gewährleistet und verschiedene Lösungsmöglichkeiten der Aufgaben sollten vorhanden sein. Im Blick auf den sozialen Umgang stellt es zudem einen wichtigen Faktor dar, dass das Material zur Kooperation anregt.
Nicht mehr benutztes Material sollte ausgelagert werden und Platz für neues machen. Das Angebot muss auf jeden Fall mit der Zeit wachsen und sich verändern, da auch immer neue Methoden, Ideen, Themen usw. in den Vordergrund rücken. Um einen Überblick über das gesamte Material zu behalten, ist es für Freinet im Grundschulbereich sehr sinnvoll, von Beginn an eine Unterteilung in die Bereiche Sinne, Gestalten, Lesen, Schreiben, Rechnen, Sachunterricht und Spielen vorzunehmen. Zudem sollte noch eine Auflistung über das vorhandene und weggefallene Material erstellt werden. Bei allen Materialarten/-formen geht es vorrangig um eine selbst kontrollierte und handelnde Beschäftigung.
Vorgehen
In der Freiarbeit gibt es zwar keine inhaltlichen Vorgaben, dennoch sollten die Schülerinnen und Schüler auch in diesen Stunden bestimmte Verhaltensanforderun-gen erfüllen. Die Kinder sollten sich Fragen zur Auswahl ihres Materials stellen. Hierbei müssen sie berücksichtigen, ob das Material für sie geeignet, also nicht zu leicht und nicht zu schwer ist, und dabei darauf achten, dass die Auswahl des Materials auch die verschiedenen Lernbereiche abdeckt. Außerdem sollten sie sich sinnvoll mit dem Material beschäftigen, angefangene Arbeiten beenden und das Material wieder so zurücklegen, wie sie es vorgefunden haben.
Bedingungen für Freiarbeit
Um diesen Ansprüchen der Freiarbeit gerecht zu werden, sollten einige Bedingungen erfüllt sein (vgl. Köck 2000):
· Vereinbaren und Einhalten von Umgangsregeln.
· Lern- und Arbeitstechniken müssen vorweg im herkömmlichen Unterricht vermittelt worden sein, um nachlassende Motivation durch Frustrationen zu vermeiden.
· Der Lernprozess sollte zwar selbstbestimmt sein, doch sollte ein klarer Ordnungs-rahmen abgesteckt sein, z.B. bzgl. der Zielerreichung, der Gesamtlernzeit, der Menge des Lernstoffes.
· Die Lehrperson achtet auf die Einhaltung der vereinbarten Arbeitsbedingungen, sie ist Organisatorin, stellt die Lernsituationen und die Auswahlmaterialien bereit und koordiniert die Lernprozesse durch individuelle Lernbetreuung.
· Die Lernmaterialien müssen für die SchülerInnen leicht zugänglich sein (Materialschrank, -regal).
· Die Selbstkontrolle der SchülerInnen wird durch das Entwerfen eines individuellen Lernplanes und die Dokumentation der erledigten Arbeiten strukturiert
Lässt es der Stundenplan zu, liegen die Freiarbeitsstunden meist in der ersten Stunde, wodurch ermöglicht wird, dass die Kinder vor dem Klingeln selbstständig mit der Arbeit beginnen können. Die Stunde hat somit einen offenen Anfang.
Lerntagebuch
Am Ende jeder Freiarbeitsstunde schreiben die Schülerinnen und Schüler ein Lerntagebuch. Dieses dient zur selbstständigen Planung und Dokumentation ihres Arbeitsprozesses. Darüber hinaus soll es den Kindern bewusst machen, welche Lernfortschritte sie gemacht haben, wobei sie gegebenenfalls Schwierigkeiten hatten und was zielstrebig weiter verfolgt werden muss. Folgende Fragen sollen den Kindern beim Eintrag ins Lerntagebuch helfen:
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Was habe ich mir ausgewählt? Wie bist du vorgegangen?
(Beschreibe deine Aufgabe ganz genau.)
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Habe ich allein oder mit einem Partner gearbeitet?
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Aus welchem Bereich stammt die Aufgabe?
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Warum habe ich mir diese Aufgabe ausgesucht?
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Was habe ich dabei gelernt oder neu erfahren?
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Womit bin ich heute zufrieden, womit noch nicht?
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Habe ich alles geschafft?
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War etwas schwierig?
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Was habe ich in der nächsten FA-Stunde vor?
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Jeder Tagebucheintrag beginnt mit dem Datum.
[1] Claussen, Claus: Wochenplan- und Freiarbeit, Praxis Pädagogik Westermann, 2009.
[2] Waldschmidt, Ingeborg: Maria Montessori – Leben und Werk, C.H. Beck Wissen, 2010, S. 64.